Jedem Wiener ist die Klassenlotterie Prokopp auf der unteren Mariahilferstraße ein Begriff. Wer die Geschäfte führt, wissen heute wie damals, als sich das Unternehmen noch im Besitz der Namen gebenden Familie Prokopp befand, die wenigsten. Firmengründer Josef „Josch“ Prokopp blieb seinem Credo „Jeder kennt mich und keiner weiß, wer ich bin“ ein Leben lang treu. Tochter Angelika Prokopp hielt es ebenso.
Geboren wurde Angelika Prokopp am 7. März 1923 in Baden. Mutter Johanna (geb. 1887), die aus einer früheren Verbindung die 1913 geborene Tochter Henriette mitbrachte, und Vater Josef (geb. 1880) hatten eineinhalb Jahre zuvor geheiratet. Zu diesem Zeitpunkt war Josef Prokopp in Baden bereits ein angesehener Geschäftsmann, der auch im Gesellschaftsleben der Stadt eine wichtige Rolle spielte. Mit seinem Bruder Hans führte er zunächst eine Drogerie. Nach einem längeren Aufenthalt in den USA machte er sich jedoch nach dem Ersten Weltkrieg in der niederösterreichischen Stadt mit einem Reisebüro selbstständig und eröffnete schließlich 1919 eine Geschäftsstelle der Österreichischen Klassenlotterie.
Angelika wuchs also in Baden auf, wo sie auch die ersten drei Klassen der Volksschule besuchte. Dabei bekam sie von der Mutter das Interesse an Literatur, Kunst und Musik vermittelt und wurde vom Vater zur Sparsamkeit und Disziplin erzogen. Für den Vater war immer klar, dass die Tochter eines Tages in seine Fußstapfen treten und die Lotterie übernehmen sollte. Die Wochenenden verbrachte die Familie meist in Puchberg, wo sie ein Haus mit Garten besaß. Halbschwester Henriette sollte bis zu ihrem Tod 1984 in diesem Haus leben.
Mit Beginn der vierten Volksschulklasse wechselte Angelika Prokopp zu den Englischen Fräulein in St. Pölten, wo sie auch die Unterstufe des Mädchenrealgymnasiums besuchte. Anschließend pendelte sie ab Herbst 1937 täglich von Baden nach Wien, wo sie in der Akademiestraße die vierjährige Wirtschaftsoberschule absolvierte. Die Matura bestand sie im Frühjahr 1942 mit Auszeichnung. Ihr Studium an der damals „Hochschule für Welthandel“ genannten Wirtschaftsuniversität schloss sie im Februar 1947 ab.
Vor ihrem Eintritt ins Familienunternehmen erwarb sie sich zunächst – auch auf Wunsch des Vaters – berufliche Praxis in anderen Betrieben (wie etwa bei „Carl Königer & Sohn). Und in der inzwischen nach Wien übersiedelten Klassenlotterie musste sie zunächst alle Arbeitsplätze durchlaufen, um das Geschäft von Grund auf zu erlernen. Während ihrer – kinderlosen - Ehe mit dem ebenfalls bereits verstorbenen Unfallchirurgen Demeter Fogarasi (Heirat 1952, Scheidung 1964) schied sie zunächst aus dem Arbeitsleben aus – kehrte aber schon rasch wieder in den Betrieb zurück.
Zu Weihnachten 1967 starb der von Angelika Prokopp über alles verehrte Vater 87-jährig plötzlich an einem Hirninfarkt. Von da an verließ sie Wien Jahr für Jahr pünktlich zu den Feiertagen. Die damals 44-Jährige übernahm die Prokopp Klassenlotterie, ein zu dem Zeitpunkt florierendes Unternehmen. 12.000 Lose hatte Josef Prokopp 1967 in Umlauf gebracht.
Angelika Prokopp führte die Firma mit rund 60 Mitarbeitern ganz im Sinn ihres Vaters fort: streng zu sich und gegenüber den Mitarbeitern, diszipliniert, sparsam sowohl privat als auch im Betrieb. Mit dem ständigen Einsatz von Werbung und dem Verkauf von Losen auch ins Ausland steigerte sie die Loszahl über die Jahre auf 20.000 Stück – und führte damit die Lotterie Prokopp vom Platz zwei hinter der Hohen Brücke auf die Nummer eins.
Mitte der achtziger Jahre verkaufte Angelika Prokopp die Klassenlotterie Prokopp – zu einem äußerst günstigen Zeitpunkt, denn „Lotto 6 aus 45“ wurde erst kurz danach aus der Wiege gehoben. Ihre Finanz- und Immobiliengeschäfte beschäftigten sie allerdings bis zu ihrem Lebensende – ebenso wie ihr größtes Finanzprojekt im neuen Jahrtausend: die 1999 gegründete Dkfm. Angelika Prokopp-Privatstiftung. Mit ihr schuf sie Bleibendes – mit ihr wollte sie Kunst, Kultur und Wissenschaft gefördert sehen.
Einer der letzten Höhepunkte im Leben von Angelika Prokopp sollte denn auch die Übergabe einer von der Stiftung erworbenen Stradivari-Geige, Baujahr 1727, an die Wiener Philharmoniker werden. Am 6. August 2006 starb sie nach einer bereits überstanden geglaubten Krebserkrankung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien an respiratorischem Versagen. Der Zigarette, die seit Schultagen ihr ständiger Begleiter werden sollte, hatte sie auch in ihren letzten Lebenswochen nicht entsagt.
Über die Höhe ihres Vermögens hielt sich Angelika Prokopp ihr Leben lang bedeckt. Ihre spartanische Lebensweise – ein bisschen Luxus gönnte sie sich nur auf Reisen – war wohl auch dazu angetan, bei den Mitmenschen erst gar keine Fragen entstehen zu lassen.
Angelika Prokopp war eine Frau mit Humor, die genau wusste, was sie wollte. Die sich zuerst ein exaktes Bild ihrer Mitmenschen machte, bevor sie entschied, wem sie vertraute und sich öffnete und wem nicht. Eine Frau, die es ihrer Umwelt nicht immer leicht gemacht hat – ihr ständiges Misstrauen hat sie von Jugend an begleitet und sich im Alter noch einmal verstärkt. Vielleicht wurde sie dadurch aber auch zu der äußerst tüchtigen Geschäftsfrau, als die sie alle in Erinnerung behalten haben.